Am 13. August: Menschenrecht auf Freiheit

Am 13. August: Menschenrecht auf Freiheit

Am 13. August: Menschenrecht auf Freiheit

# THEOLOGIE DER STADT

Am 13. August: Menschenrecht auf Freiheit

Von Thomas Jeutner

Ich war acht Jahre alt, als unsere Familie in eine kleine altmärkische
Stadt zog, in die Nähe vom Grenzgebiet. Unsere Wohnung war die letzte, die ein
Maler aus jenem Ort noch tapeziert hatte. Dann nahm er sein Moped, fuhr nachts
ohne Licht durch den Wald an die Grenze und schlug sich durch. Aus Wolfsburg
schickte er uns eine Ansichtskarte. Das war 1968.


Das Abschiedliche, Abschreckende und Schmerzliche, das
Gefährliche der Grenze war seit diesem Kindesalter in meinem Bewusstsein.


Die bitteren Geschichten von den misslungenen Fluchten hörte
ich später. Von meist jungen Menschen, die sich nicht abgefunden haben mit dem
Irrsinn der Teilung. Die sich ihre Zukunft nicht diktieren lassen wollten von
der Diktatur. Die unter Demokratie auch verstanden, die eigene Meinung nicht
nur zu denken, sondern auch zu sagen.


Es zeigt ein Blick in die Fluchtschicksale, dass vielen
Versuchen, die DDR zu verlassen das „Anecken“ im Alltag voraus ging: Weil es
nach staatskritischen Äußerungen schnell passieren konnte, verraten und
verhaftet zu werden. Es reichte schon, sozial auffällig und unangepasst zu
sein. Lange Haare waren verdächtig, Schulschwänzen gefährlich.


Wer als junger Mensch Monate und Jahre Lebenszeit hinter
Gefängnismauern verbracht hat, dem graben sich Willkür und Unrecht des Staates
in die Biografie ein fürs ganze Leben. Der spürt die Mauer hinter der Mauer.


Wie sich gerade ein junger Mensch fühlt in diesen ummauerten
Ringen von Grenze? Es ist das Gefühl, in der Seele tot zu sein. Ein Niemand.
Ein Nichts.


Dann lieber, nach der Haftentlassung, die Flucht über die
Mauer. Oft wird das mit Freunden geplant. Manche der Vertrauten schaffen es
nicht. Manche schaffen es. Die Überlebenden sind heute Zeugen ihrer getöteten
Gefährten, die Selbstverständliches suchten: Das Menschenrecht auf Freiheit.


Thomas Jeutner ist seit 2013 Pfarrer der Versöhnungsgemeinde an der Bernauer Straße.
In der DDR hat er sich in der Bürgerrechtsbewegung engagiert.

Dies könnte Sie auch interessieren

0
Feed