17/12/2025 0 Kommentare
Ein Weihnachtsmenü für alle
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Ein Weihnachtsmenü für alle
Thomas de Vachroi engagiert sich als Armutsbeauftragter für Menschen, die in Armut leben. Warum die Advents- und Weihnachtszeit für arme Menschen besonders herausfordernd ist und was er für diese Personen tut, sagt er im Interview.
Wie fühlt sich Advent und Weihnachten für arme Menschen an?
Vor allem einsam. Denn arm bin ich dann, wenn ich mir soziale Teilhabe nicht leisten kann. Vor Weihnachten bummeln viele über Weihnachtsmärkt, gehen ins Kino, ins Theater – und natürlich zum Geschenke kaufen in Shopping-Malls und Kaufhäuser. An diesen Orten tauchen arme Menschen nicht auf. Sie ziehen sich zurück, denn sie können es sich nicht leisten, dabei zu sein. Sie werden keine Obdachlosen auf dem Weihnachtsmarkt sehen, jedenfalls nicht als Kunden an den Ständen.
Betrifft Armut vor allem obdachlose Menschen in Berlin?
Nein. In Berlin gelten etwa 18 Prozent der Bevölkerung als armutsgefährdet, und dazu zählen nicht nur Obdachlose, sondern auch Alleinerziehende, Kinder, alte Menschen und andere. Das ist dann eher versteckte Armut. Auslöser dafür kann eine Scheidung oder Trennung sein, wenn man die Wohnung verliert, wenn die Arbeitsstelle gekündigt wird. Dann fallen viele in ein tiefes Loch. Was die Altersarmut angeht: 48 Prozent der Rentner haben eine sehr geringe Rente – und kaum Rücklagen.
Ich kenne Menschen, die sitzen im Dunklen in ihrer Wohnung, weil sich kein Licht anmachen, um Strom zu sparen. Oder Leute, die kaum heizen, um zu sparen. Dann zieht im wahrsten Sinn des Wortes die Kälte in die Wohnung ein.
Hat sich das Problem gerade in Berlin verschärft?
Auf alle Fälle! Seit der Corona-Pandemie ist die Armut explodiert. In der Tee- und Wärmestuben hatten wir 2024 knapp 15.000 Gäste, 2020 waren es 12.000.
Was kann jeder und jede tun, um zu helfen?
Wir sind immer wieder auf der Suche nach Menschen, die ehrenamtlich bei uns mitarbeiten. Das kann auch nur temporär sein. Und uns helfen natürlich Spenden ganz konkret. Sie sind die Basis dafür, dass wir unsere Arbeit aufrechterhalten können.
Aber: Hilfe ist kein Dauerzustand. Wir müssen an die Gesellschaft ran, an die Politik um da etwas zu verändern.
Was planen Sie für die Weihnachtstage?
Am zweiten Weihnachtsfeiertag laden wir unsere Gäste aus der Tee- und Wärmestube zu einer Weihnachtsfeier in eine unserer Kirchen in Berlin Neukölln ein. 100 Menschen können kommen, es gibt ein feines Weihnachtsmenü und Geschenke: Süßigkeiten, Kleidung und neue Schuhe. Unser Bischof ist dabei, Bezirksvertreter, Firmenchefs. Sie alle tragen T-Shirts mit der Aufschrift „Armut eine Stimme geben“ und bedienen unsere Gäste. In diesem Jahr haben wir erstmals 20 Plätze für den Seniorenverband Neukölln reserviert.
Sie machen diese Arbeit schon seit vielen Jahren. Was motiviert Sie?
Ich finde es toll, wenn sich die Menschen bedanken, wenn sie lächeln, mich in den Arm nehmen. Und die Zusammenarbeit mit unseren Ehrenamtlichen – die stehen wie eine Eins, die wissen, was sie machen sollen. Wir tun alles, um unseren Gästen Freude zu bereiten. Unsere Gäste wissen das – und lieben das.
Zur Person
Thomas de Vachroi war deutschlandweit der erste Armutsbeauftragter. Er ist im Auftrag des Kirchenkreis‘ Berlin-Neukölln und der Evangelischen Landeskirche tätig, leitet das Haus Britz des Diakoniewerkes Simeon und ist mitverantwortlich für die Neuköllner Tee- und Wärmestube Neukölln. Außerdem organisiert Thomas de Vachroi weitere Hilfsaktionen für arme sowie obdach- und wohnungslose Menschen und spricht mit Behörden und Vertretenden von Politik, Wirtschaft und Medien. Sein Ziel ist es, auf Missstände aufmerksam zu machen und gemeinsam Lösungen zu suchen.
Mehr zum Projekt "Armut eine Stimme geben": www.neukoelln-evangelisch.de/handeln-helfen/armut-eine-stimme-geben
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