
04/09/2025 0 Kommentare
„Hier sind wir als Kirche am richtigen Ort“
„Hier sind wir als Kirche am richtigen Ort“
# Berlin: Newsletter

„Hier sind wir als Kirche am richtigen Ort“
Was andernorts die Regionalbischöfin ist, heißt in Berlin Generalsuperintendentin. Seit sechs Wochen ist die Theologin Julia Helmke nun für knapp eine halbe Million evangelische Christ*innen zuständig. Mit berlin-evangelisch sprach sie über ihr neues Amt in einer für sie neuen Stadt.
Womit hat Sie Berlin überrascht?
Mit sommerlichen Heiterkeit, Leichtigkeit und Lebensfreude. Ich kenne Berlin auch im Winter: grau, laut und anstrengend. Jetzt, im Spätsommer, erlebe ich die Stadt mit dem Gefühl, sehr viel Neues zu entdecken.
Der Berliner Christopher Street Day (CSD) fiel auf einen Ihrer ersten Arbeitstage. Wie haben Sie diesen Tag erlebt?
Unsere Landeskirche hat einen eigenen CSD-Truck, auf dem bin ich mitgefahren. Besonders schön fand ich, wie viele Menschen nach unseren Segensbändern gefragt haben, weil sie unsere Botschaft berührte: „Liebe tut der Seele gut“. Und obwohl ich Techno und große Menschenmengen nur bedingt mag, war es auf der Parade nie anstrengend.
Ich war beeindruckt von der Freundlichkeit und Ernsthaftigkeit so vieler unterschiedlicher Menschen, die einander so sein ließen, wie sie sind, und zugleich sehr bewusst für Menschenrechte, Vielfalt und die Würde unterschiedlicher Lebensentwürfe eintreten. Ich hatte das Gefühl: Hier sind wir als Kirche am richtigen Ort.
Was hat Sie in Ihrem Leben geprägt?
In meinen 56 Lebensjahren natürlich sehr vieles, beruflich wie persönlich. Um biographisch zu antworten: Ich bin als Evangelische in Oberbayern aufgewachsen - mit der Erfahrung, einer Minderheit anzugehören. Zum anderen die Begegnung mit meinem Pfarrer, der mich konfirmierte. Er engagierte sich früh für Umweltschutz und Schöpfungsverantwortung, etwa gegen den Bau des Flughafens im Erdinger Moos. Da drohte durch die Absenkung des Grundwassers eine Umweltkatastrophe. Als überzeugter evangelischer Christ rief er damals zu Demos auf – ich war als Jugendliche dabei.
In Berlin sind 11,5 Prozent der Einwohner evangelisch. Ist das aus Ihrer Sicht viel oder wenig?
Verglichen mit Bayern oder meinem langjährigen Lebensmittelpunkt Hannover, dem „Rom des Protestantismus“, ist das nicht viel. In absoluten Zahlen jedoch ist es eine beachtliche Größenordnung: Hunderttausende Menschen, die zu Recht Glaubenstärkung, Gemeinschaftsbezug und Welt-orientierung von uns erwarten.
Der Dialog mit der Stadtgesellschaft ist sicher eine besondere Herausforderung…
Ja, und er ist komplex. Ein wichtiges Thema in dieser Stadt sind unsere kirchlichen Räume: Wie können wir uns einerseits dafür einsetzten, dass mehr bezahlbarer Wohnraum geschaffen wird und andererseits unsere Gebäude stärker zu öffentlichen Räumen machen?
Und mich beschäftigt die Einsamkeit der Großstadt, denn sie betrifft viele Menschen – jüngere Studierende wie Ältere und besonders auch von Altersarmut betroffene Frauen. Außerdem mir liegt der Dialog mit Kunst und Kultur sehr am Herzen, denn Fragen und Antworten nach Gott und dem Sinn des Lebens werden übersetzt in Bilder, Klänge, Worte noch einmal anders relevant.
Als frühere Kulturbeauftragte der Hannoverschen Kirche und gelernte Filmkritikerin haben Sie sich intensiv mit Filmen befasst. Geben Sie uns einen spätsommerlichen Filmtipp?
Gerade kommen wieder so viele interessante Filme auf die Kino-Leinwand. Zwei greife ich heraus:“ Life of Chuck“, mit der Frage, inwieweit wir selbst unser Leben gestalten und was Dankbarkeit in dystopischen Zeiten meint. Zum anderen: „In die Sonne schauen“ - als erster deutscher Film seit langem wieder in Cannes ausgezeichnet - stellt die Frage: was verbindet und prägt uns über Generationen hinweg im Miteinander?
Zur Person
Die 1969 mit Berliner Vater, schwäbischer Mutter und Großeltern aus Thüringen und Brandenburg geborene Theologin Julia Helmke ist seit Juli 2025 Generalsuperintendentin im Sprengel Berlin. Als Leitende Geistliche vertritt sie Bischof oder Pröpstin und ist Seelsorgerin für Pfarrpersonen im Sprengel Berlin.
Zuvor war Julia Helmke Leiterin des Referats für Theologie, Gottesdienst, Kirchenmusik und Geistliches Leben im Landeskirchenamt Hannover und von 2017 bis 2021 Generalsekretärin des Deutschen Evangelischen Kirchentags. Julia Helmke ist Honorarprofessorin an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen, Präsidentin von INTERFILM sowie ausgebildete Geistliche Begleiterin.
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