30/10/2024 0 Kommentare
Im Interview: Nur Ben Shalom
Im Interview: Nur Ben Shalom
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Im Interview: Nur Ben Shalom
Was ich tue?
Ich spiele Klarinette und beruflich interessiert mich die klassische Musik. Als Jude und Israeli in Berlin bin ich immer mit dem, was von 1933 bis 1945 geschah, konfrontiert. Mit anderen Musikerinnen und Musikern bringe ich Kompositionen aus der Zeit des Holocaust als „Lebensmelodien“ zu Gehör. Viele Kompositionen führen wir zum ersten Mal auf und so werden sie in Berlin und weltweit bekannt.
Was ich glaube?
Ich glaube an die Menschlichkeit. Auch unter den unmenschlichsten Bedingungen konnten Menschen etwas Positives erfahren. Die Lebensmelodien erzählen uns das.
Was mir wichtig ist?
Die Lebensmelodien sind ohne meine Familiengeschichte nicht denkbar: Meine Großtante wurde im Konzentrationslager ermordet. In ihrem Abschiedsbrief, der aus dem Lager geschmuggelt wurde, beschreibt sie die unsägliche Entmenschlichung und den nahen Tod. Ihr letzter Satz heißt: „Wenn ihr könnt, nehmt einst Rache.“ Das ist mein Erbe. Ich habe mich entschieden, mit den Lebensmelodien auf meine Familiengeschichte zu antworten und wandle sie positiv für uns heute um.
Was ich mir wünsche?
Das Wort „Holocaust“ ist gerade für junge Menschen weit weg von ihrem Leben. Es braucht eine vermittelnde Brücke. Es sind die Melodien und Lebensgeschichten der Musikerinnen und Musiker, die junge Leute sehr bewegen. Mein Wunsch? Jeder Mensch in Deutschland sollte einmal in seinem Leben mit den Lebensmelodien in Berührung kommen. Deshalb bieten wir Bildungstage in Schulen an.
Was mich aufregt?
Ich fühle mich als Israeli und Jude in Berlin nicht mehr sicher.
Warum Berlin?
Als Student wollte ich die deutsche musikalische Tradition kennenlernen. Dann merkte ich: Diese Stadt ist für mich ein offenes Grab mit einer jüdischen Vergangenheit, die 24 Stunden täglich präsent ist. Ich habe Berlin durch die Musik gefunden und die Lebensmelodien binden mich an diese Stadt.
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