„Urlaub funktioniert auch ohne wegfahren“

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„Urlaub funktioniert auch ohne wegfahren“
Claudia Mieth

Vom Momente-Bewahren und Perspektive-wechseln: Pfarrerin Claudia Mieth erzählt, wie sie Feriengefühle mit in den Alltag nimmt. 

Für viele Menschen geht’s in diesen Tagen nach dem Urlaub zurück in den Alltag. Das ist nicht immer einfach. Warum ist uns eigentlich Urlaub so wichtig?

Claudia Mieth: Urlaub ist wie eine andere Zeitrechnung. Auch, wenn ich im Urlaub alltägliche Dinge tue wie morgens irgendwann aufstehen, vielleicht auch kochen oder spazieren gehen, komme ich aus dem Alltagstrott raus. Im Urlaub darf ich Pause haben und in einen anderen Modus gehen. 

Was macht für Sie einen richtig erholsamen Urlaub aus, der noch lange nachwirkt? 

Mir hilft es, wenn ich meinen Blick auf etwas anderes lenke, wenn ich versuche, bewusst mal anders zu sehen. Das geht auch in kurzer Zeit, man muss nicht wochenlang wegfahren. Vor ein paar Jahren, bei einer Urlaubswoche in Marokko, habe ich nur Keramik-Scherben gesammelt. Sie liegen jetzt auf einem großen Tablett bei mir zuhause und immer, wenn ich daran vorbeigehe, denke ich an diese Woche, an die vielen, kleinen ungeplanten Momente, die für mich das Wesen von Urlaub ausmachen. So eine Erinnerung an die freie Zeit kann helfen, die Entspannung zu bewahren. 

Urlaub zu machen können sich leider nicht alle leisten. Welche Erholungsmöglichkeiten gibt es für Menschen, die zuhause bleiben wollen oder müssen?

Urlaub funktioniert auch ohne wegfahren. Wenn ich in meiner Stadt in einen anderen Stadtteil fahre und dort durch die Straßen laufe, kann mich das erholen, weil ich etwas anderes tue als gewöhnlich. Das ist eine heilsame Unterbrechung für Körper und Geist. Sehr hilfreich finde ich Perspektivwechsel. Auf einen Berg steigen, das darf auch der Kreuzberg sein, oder auf den Müggelturm. So ein wörtlich verstandener Perspektivwechsel kann den Alltag enorm bereichern, neue Ideen bringen. 

Manche kommen enttäuscht aus den Ferien zurück  weil das Wetter nicht mitgespielt hat, die Unterkunft anders war als gedacht, weil es Streit gab. Was raten Sie?

Mit Ferien ist es ähnlich wie mit Weihnachten: Auch da klaffen Harmonie-Vorstellungen und Wirklichkeit oft auseinander. Vielleicht waren die Erwartungen zu hoch gesteckt? Das engt den Freiraum ein. Zum Urlaub gehört, dass man auch mal etwas laufen und sich überraschen lässt. Und wenn man wirklich das Gefühl hat, der Urlaub war vermurkst, sollte man sich fragen: Gab es nicht doch etwas, das gut war und sich lohnt, als Erinnerung behalten zu werden? Nur wenig ist von Anfang bis Ende total schlecht. 

Wie kann ich ein Urlaubsgefühl in den Alltag tragen?

Egal, was wir machen, wir verändern uns, wir wachsen. Gerade durch Reisen, durch Perspektivwechsel, durch Rausgehen aus dem Alltag. Ich denke oft daran, wie ich drei Tage alleine an der Ostsee verbracht habe. An die langen Strandspaziergänge, immer kurz vor einem Gewitter, und nie sicher, ob ich trocken ankommen würde. Das kommt mir in den Sinn, wenn ich heute Durststrecken vor mir sehen. Der lange Strand, die dunklen Wolken, und wie stolz ich war, als ich angekommen bin. Das hat mich verändert. Ich fand das sehr segensreich – gerade, weil ich Segen als Wachsen begreife. 

Zur Person: Claudia Mieth ist stellvertretende Superintendentin und Beauftragte für Lektor:innen und Prädikant:innen im Kirchenkreis Berlin-Neukölln. Die in Berlin aufgewachsene Pfarrerin fährt im Urlaub am liebsten ans Wasser.

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